Klimawandel am Bodensee (März 2020)

«Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem ist klar und die jüngsten anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen sind die höchsten in der Geschichte. Die jüngsten Klimaänderungen haben weitverbreitete Folgen für natürliche Systeme und den Menschen», so lautet eine Hauptaussage für politische Entscheidungsträger im Synthesebericht des letzten Weltklimaberichtes der IPCC. Diese Folgen machen sich auch im Ökosystem Bodensee bemerkbar und werden es zukünftig noch stärker beeinflussen.
 

Auswirkungen des Klimawandels auf den Bodensee

In der Bodenseeregion sind die Lufttemperaturen in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, wobei die Zunahme im Winter höher war als im Sommer. Infolgedessen fielen in den Winterhalbjahren die Niederschläge vermehrt als Regen und weniger als Schnee. Die Sommer waren teilweise von langen Trockenperioden geprägt, wie beispielsweise im Jahr 2018. Zukünftig dürften sich diese Entwicklungen noch verstärken mit Auswirkungen für den Bodensee. Noch ist schwer vorhersehbar, wie ein komplexes Ökosystem wie der Bodensee auf die Klimaveränderung reagiert. Deshalb fördert die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) Forschungsarbeiten, welche das Verständnis über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Bodensee verbessern.

Folgen für Wassertemperatur, Pegel und Zirkulation

Die Temperatur der oberen Wasserschichten ist massgeblich von der Lufttemperatur beeinflusst. Die Jahresmittelwerte der Oberflächenwassertemperatur lag im Zeitraum von 1990 bis 2019 um 1,2°C höher als in der Vergleichsperiode von 1962 bis 1989. Im Tiefenwasser fällt der Anstieg geringer aus. Bis im Jahr 2050 zeigen Modellrechnungen für den Bodensee im Vergleich zum Zeitraum von 1981 bis 2010, in Abhängigkeit des Klimaszenarios, einen Anstieg der Oberflächenwassertemperatur zwischen 1,3°C und 2,2°C (L. Råman Vinnå, M. Schmid, D. Bouffard, Eawag). Längere und wärmere Sommer sowie kürzere und mildere Winter verstärken und verlängern die thermische Schichtung. Eine vollständige Zirkulation der Wasserschichten wird seltener (IGKB-Faktenblatt Zirkulation).

Beobachtungen der letzten Jahrzehnte zeigen eine Entwicklung hin zu höheren Wasserständen im Winter und tieferen Wasserständen im Sommer. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von einer verminderten, vorübergehenden Speicherung der Winterniederschläge in Form von Schnee, Veränderungen der sommerlichen Verdunstungsmenge und der saisonalen Niederschlagsverteilung bis zum Ausbau der Kraftwerk-Speicher im alpinen Einzugsgebiet des Bodensees. Beeinflusst durch die Entwicklung der Wasserführung der Abflüsse, dürfte sich in Zukunft die Tendenz zu tieferen Wasserständen im Sommer und höheren Wasserständen im Winter fortsetzen, sofern diese nicht von anderen Einflüssen überlagert wird (Seespiegel: Zwei Seeteile – Zwei Pegelstände)

Folgen für die chemische Wasserqualität

Eine verstärkte thermische Schichtung und infolgedessen ein reduzierter Austausch von Oberflächen- und Tiefenwasser führt zur Ansammlung von Nährstoffen und zu einer verminderten Sauerstoffversorgung im Tiefenwasser. Reihen sich mehrere Jahre mit einer ungenügenden Zirkulation aneinander, kann die Sauerstoffkonzentration in großer Tiefe kritische Werte unterschreiten und Phosphor, das beim Abbau der Algen freigesetzt wird, reichert sich an. Große Unterschiede bei der Intensität der Zirkulation des Seewassers können deshalb zu beträchtlichen Schwankungen der Produktivität des Bodensees führen (Schwefel et al. 2019 und in Rücksprache mit A. Wüest, Eawag), (IGKB-Faktenblatt Phosphor).

 

Folgen für die Biologie

Komplexe Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren machen die Folgen des Klimawandels für die Biologie schwierig abschätzbar. Dennoch sind bereits heute Veränderungen ersichtlich.

Kälteliebende Arten, die eine geringe Toleranz gegenüber Temperaturschwankungen aufweisen, kommen infolge steigender Temperaturen unter Druck. Im Sommer 2018 sind im Untersee aufgrund der hohen Temperaturen zahlreiche Äschen verendet. Umgekehrt profitieren wärmeliebende

Arten, die hohe Temperaturschwankungen tolerieren sowie gebietsfremde Arten: So haben sich zum Beispiel die die Fänge des Welses in den letzten Jahren vervielfacht.

Steigende Temperaturen verändern das saisonale Auftreten von Organismen und die Geschwindigkeit ihrer Entwicklungsprozesse (Phänologie). Sie führen zu einer längeren Dauer der Wachstumsphase. Im Bodensee ist dies am deutlichsten beim Auftreten der Wasserflöhe zu sehen. Seit 1979 findet der Zeitpunkt des jährlichen Maximums der Wasserflöhe etwa eine Woche pro Jahrzehnt früher statt. Diese Verschiebung kann sich durch eine fortschreitende Klimaerwärmung weiter fortsetzen und die Räuber-Beute-Dynamik im See beeinflussen.

Eine ungenügende Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers kann die Lebensraumqualität für Fische und andere Wasserlebewesen beeinträchtigen. Beispielsweise ist eine ausreichende Sauerstoffkonzentration auf den Laichplätzen Voraussetzung für eine erfolgreiche Ei-Entwicklung der Blaufelchen oder des Tiefensaiblings.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Klimawandel führt in Gewässerlebensräumen zu einem Rückgang von Spezialisten und einer Ausbreitung von Generalisten, wärmeliebende Arten werden häufiger, das saisonale Auftreten sowie Interaktionen im Nahrungsnetz und der Artengemeinschaft im Ökosystem verändern sich.

 

Aktivitäten der IGKB

Die IGKB beobachtet den limnologischen Zustand des Bodensees seit Jahrzehnten um seine Entwicklung zu verfolgen. 2011 lancierte die IGKB das Forschungsprojekt «Klimawandel am Bodensee» (KlimBo), um Veränderungen in den Wasseraustauschprozessen im Bodensee und die Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung sowie die thermische Nutzung des Sees zu untersuchen. Seit 2018 läuft das Forschungsprojekt «SeeWandel». Es soll für ein besseres Verständnis über die Auswirkungen des Nährstoffrückgangs, des Klimawandels, und dem Aufkommen gebietsfremder Arten für das Ökosystem, seine Biodiversität und Funktionsweise sowie die menschliche Nutzung sorgen.

 


Fazit

Die Folgen des Klimawandels betreffen den Bodensee und sind für die kommenden Jahre eine große Herausforderung für das Ökosystem und sein Einzugsgebiet. Vor diesem Hintergrund schafft eine möglichst weitgehende Reduktion menschlicher Stressfaktoren durch Gewässerschutzmaßnahmen die beste Voraussetzung, damit der Bodensee auch in Zukunft seine Funktion als Lebensraum für eine einzigartige Tier und Pflanzenwelt als auch für die vielen unterschiedlichen Nutzungen erfüllen kann. Die Förderung eines naturnahen Zustandes des Bodensees und seines Einzugsgebiets bleibt weiterhin das zentrale Ziel der IGKB.